Wildtiere im urbanen Raum - Teil 1

Fuchs

Vorwitzige Eichhörnchen und lustige Singvögel auf der Terrasse, große Marder, Dachse und spielende Füchse am Morgen auf der Straße, süße Igel im Laubhaufen, grunzende Wildschweine und scheue Rehe am Waldrand. Im Wienerwald sind Begegnungen mit Wildtieren keine Seltenheit. 

„Die Stadt dringt in die Lebensräume der Tiere vor – die Füchse, die Dachse, die Wildschweine waren vor uns da“, sagt Klaus Hackländer. Er lebt in Purkersdorf und ist Univ. Prof. für Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft an der Boku Wien und Vorstand der Wildtierstiftung in Hamburg.

„Wildtiere benötigen Nahrung und Ruhe für ein zufriedenes Leben, beides finden sie in naturbelassenen Gärten am Waldrand: den reich gedeckten Nahrungstisch mit Früchten von Obstbäumen, Komposthaufen oder leicht zu ergatterndes Haustierfutter“, bestätigt Fritz Holzinger, Revierleiter der Österreichischen Bundesforste

Das ist nicht nur im Wienerwald so, auch die Lobau oder die Seestadt Aspern sind ein Paradies für Wildtiere, meint Hackländer, „ob Rehe, Schweine, Füchse oder auch der Wolf, die Populationen in Österreich wachsen. Diese Tiere sind soziale Wesen und lernen von erfahrenen älteren Tieren. Diese zeigen jüngeren Tieren, wo sie fressen können und wo das Leben sicher ist.“

Tiere lernen und genießen

Der städtische Bereich ist jagdbefriedet, das heißt, dass hier keine Jagd stattfinden darf. „Es gibt kaum Gefahren in Siedlungsgebieten. Die Tiere gewöhnen sich an die neue bequeme Lebenssituation, rücken in den urbanen Raum vor und meiden Wälder, wo gejagt wird“, sagen die drei Wildtierexperten. Ob Rehe, Dachse oder Füchse, sie passen sich an, fressen im Garten und tagaktive Tiere werden gar nachtaktiv, weil dann keine Gefahr besteht.

Das bekräftigt auch Erich Kerschbaumer, Präsident des Jagdclub Purkersdorf. „Der Fuchs zum Beispiel ist eine Hundeart, ein Folger, der sich gut anpassen kann. Erhält er Nahrung, wird er gar gefüttert und kann sich im Biotop im Garten frei bewegen, findet er das gemütlich. Er wird das Jagen einschränken“. 

Konflikte und Gefahren

Das Zusammenleben birgt auch Konflikte und Gefahren. Klaut der Fuchs Schuhe, treibt er sich ohne Scheu auf Spielplätzen herum oder hinterlässt er stinkenden Kot, ist das wenig beliebt. Dachse graben Löcher, Wildschweine verwüsten Gärten. „Alles was leicht mit der Scheibe, der Schnauze des Tieres, aufgebrochen werden kann, ist willkommen und wird umgegraben“, informiert Kerschbaumer.

Eine andere Gefahr: „Fühlen sich Tiere eingeengt, etwa eine Bache, die mit ihren Frischlingen unterwegs ist, ein Fuchs dem man zu nahe kommt, dann wehren sie sich, beißen und zwicken“, ergänzt Hackländer.

Selten können auch Krankheiten übertragen werden. Die Tollwut ist hier im Land ausgerottet. Hunde sollten gegen Staupe geimpft sein, die Räude ist unwahrscheinlich, der Fuchsbandwurm selten aber gefährlich. Er wird durch Eier im Kot übertragen und kann den Körper des Menschen insbesondere innere Organe schwer schädigen, warnt Hackländer. Hygiene hilft

Eine Gefahr für die Tiere sind Straßen. Hier helfen einfache Maßnahmen, wie reflektierende Schilder an Straßen, die von Jagdverbänden angebracht werden, um Tiere von Fahrbahnen fernzuhalten. Sollte ein Unfall mit einem Wildtier passieren, bitte unbedingt eine Meldung an die Polizei, sie aktiviert den Jäger, wenn nötig. Nur der oder die Zuständigen im Revier dürfen Tiere entnehmen oder versorgen.

Die neue Nähe zu Tieren und der Natur

Der wichtigste Tipp für ein gutes Nebeneinander lautet Abstand halten, auf keinen Fall anfüttern und locken. Die Tiere sollen Wildtiere bleiben. 

Wenn Abgrenzung und Zäune nicht helfen,  sollte man idealerweise mit dem Grundbesitzer Kontakt aufnehmen und herausfinden, wer im Gebiet die „jagdausübungsberechtigte“ Person ist. Kerschbaumer erklärt, dass Jäger bei Überpopulationen punktuell auch an den Randzonen des Waldes Tiere entnehmen dürften, um klar zu machen: „Hier hast du nix verloren“. Generell ist die Jagdabschusszone 200 bis 300 Meter von Siedlungen entfernt.

Meist jedoch überwiegt die Freude, ein Tier aus der Nähe zu sehen. Jedes Kind mag Rehe, die im Wald und auf der Wiese äsen, die Füchse, die nachts spielen. Aber Achtung, Jungtiere müssen nicht gerettet werden. Oft werden Rehkitze in Wiesen nahe dem Wald abgelegt, die Wiese schützt, sie ist der Kindergarten der Kitze, die Mutter kommt aber garantiert zurück. Gleiches gilt für Frischlinge, die Mama sitzt nicht ständig neben dem Wurfkessel, sie muss auch auf Nahrungssuche gehen.

Wann an wen wenden?

Es gibt in den jeweiligen Jagdgebieten unterschiedliche Ansprechpersonen. In den Siedlungsgebieten sind je Gemeinde die Jagdgenossenschaften verantwortlich. Jede Gemeinde kann Auskunft zu den Pächtern geben. Große Waldbesitzer wie die Bundesforste verwalten Ihre Eigenjagdgebiete selbst, wo der zuständige Revierleiter erster Ansprechpartner vor Ort ist. Tief im Thema ist außerdem der Biosphärenpark in Purkersdorf (Kontakte).

In Wien ist die MA49 zuständig. Für Fragen zu heimischen Wildtieren und zur Meldung von verletzten oder verwaisten Wildtieren in Wien steht die Hotline +43 1 4000 49090 zur Verfügung. Die Wildtier-Hotline ist täglich (inklusive Sonn- und Feiertage) von 07:30 - 22:00 Uhr besetzt.

Außerdem hilft die freiwillige Wildtierhilfe, manchmal auch ein versierter Verterinärmediziner. Infos finden und Beobachtungen eintragen kann man auf stadtwildtiere.at und weitere Infos rund um Wildtiere finden sich hier bei der vetmeduni Wien.

Abschließend erzählt Kerschbaumer: „Kürzlich habe ich einen benommenen Waldkauz mit Gesichtsverletzung an die Tierrettung übergeben. Er wurde in der Auffangstation in Laxenburg versorgt.“ Kerschbaumer möchte über den Jagdverein Purkersdorf verstärkt Aufklärung zum Umgang mit Wildtieren für die Bevölkerung bieten. Eine Kontaktmöglichkeit zum Jagdclub besteht in Kürze am Purkersdorfer Adventmarkt ab 24. November, zum Stand lädt der Jäger herzlich ein.

Foto: Wildtiere wie Füchse sind immer häufiger in urbanen Gebieten zu sehen. (c) Pixino, Laubenstein Ronald, USFWS

Informationen und Tipps in Teil 2

Zu den Fotos (c) Waculic, Laubenstein, Pixino, Tscharntke, Stehn, Hennessy, Unsplash, USFWS

  • Autor: Birgit Schaller

03.11.2023