Die Stadtregion Wien und ihre niederösterreichischen Umlandgemeinden stehen vor vielfältigen, gemeinsamen Herausforderungen. Wohnraumbedarf, Klimaanpassung, Mobilität oder Hochwasserschutz lassen sich längst nicht mehr isoliert lösen – sie erfordern abgestimmte Strategien über Gemeinde- und Landesgrenzen hinweg.
Hier setzt das Stadt-Umland-Management (SUM) an. Als gemeinsame Initiative der Länder Wien und Niederösterreich versteht sich SUM als lebendiges Netzwerk aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Praxis. Die Idee dahinter ist ebenso einfach wie überzeugend: Statt nebeneinanderher zu planen, wollen Stadt und Land ihre Kräfte bündeln. SUM fungiert dabei als Schnittstelle zwischen Landes- und Kommunalpolitik, als Plattform für Wissensaustausch – und vor allem als Motor für Projekte, die in beiden Regionen Wirkung entfalten.
Exkursion als Planskizze für die Zukunft
Wie diese Zusammenarbeit in der Praxis aussieht, zeigte Ende September die SUM-Exkursion 2025. Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung und Planung besichtigten dabei zentrale Entwicklungsgebiete rund um Wien und Purkersdorf und diskutierten über aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze.
Die erste Station am Brückenweg in Wolf in der Au stand ganz im Zeichen des Hochwasserschutzes. Hier erläuterte Michael Woditsch von der MA 45 – Wiener Gewässer – die laufenden Maßnahmen zum Ausbau der Schutzinfrastruktur am Wienfluss. Als Reaktion auf das außergewöhnliche 1.000-jährliches Hochwasserereignis im September 2024 werden aktuell Wehranlagen und Schutzmauern erhöht. Ziel ist es, den Schutz künftig auf ein 5.000-jährliches Hochwasser (HQ 5000) auszulegen. Im Fokus steht dabei die U-Bahn-Linie U4, deren Überflutung einen immensen Schaden verursachen würde.
Bahnhof Unterpurkersdorf: Flächenkonversion statt Zersiedelung
Die zweite Station der Exkursion widmete sich der Stadtentwicklung im Speckgürtel. In Purkersdorf steht Bürgermeister Stefan Steinbichler vor einer typischen Herausforderung wachsender Umlandgemeinden: Einerseits gilt es, neuen Wohnraum und Infrastruktur zu schaffen, andererseits soll Zersiedelung vermieden und die hohe Lebensqualität erhalten bleiben.
„Es ist erklärtes Ziel, keine neuen Siedlungsgebiete nach außen zu erschließen“, betonte Steinbichler vor Ort. Stattdessen setzt die Stadt konsequent auf Innenentwicklung und Nachverdichtung – allen voran durch die Umnutzung von Konversionsflächen wie dem rund zwei Hektar großen ÖBB-Bahnhofsareal in Unterpurkersdorf.
Das freiwerdende Bahnhofsareal bietet aus Sicht der Stadt großes Potenzial: Neben klassischen Zentrumsfunktionen wie Büros oder Dienstleistungen könnten dort auch dringend benötigte Einrichtungen der sozialen Infrastruktur, etwa eine Schule, entstehen.
Zwischen Vision und Wirklichkeit
Doch die Verwertung der Flächen gestaltet sich komplexer als gedacht. Ursprünglich war angedacht, der Stadtgemeinde ein Vorkaufsrecht einzuräumen, inzwischen wurde jedoch seitens der ÖBB entschieden, das Areal per öffentlicher Ausschreibung im Baurecht zu vergeben. Dafür muss für das Grundstück noch eine Widmungsänderung durchgeführt werden, da es derzeit als Verkehrsland gewidmet ist. Die Stadtführung steht hier in laufenden Austausch und gutem Einvernehmen mit der ÖBB, Bürgermeister Steinbichler ist zuversichtlich, dass für alle Beteiligten eine gute Lösung gefunden wird.
Sobald der Verwertungsprozess klarer ist, plant die Stadt, einen Bürgerrat einzusetzen. Ziel ist es, gemeinsam mit der Bevölkerung tragfähige Nutzungskonzepte zu erarbeiten und Prioritäten zu definieren.
Radwege: Erfolge und teure Hürden
Ein weiteres Schwerpunktthema der Exkursion war die Radwegevernetzung – ein zentraler Baustein für klimafreundliche Mobilität im Stadt-Umland-Verkehr.
Ein großer Erfolg war die kürzlich abgeschlossene Sanierung des Radwegs im Christkindlwald, der Verbindung Wien–Purkersdorf. Er war durch das Hochwasser 2024 stark beschädigt worden war. Dank der Zustimmung eines privaten Grundeigentümers konnte der Weg asphaltiert und damit deutlich attraktiver gestaltet werden. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten: Eine Zählung ergab rund 13.000 Radler innerhalb von nur drei Wochen.
Ganz anders stellt sich die Situation beim geplanten Radweg entlang der B1 dar, der die Landesgrenze mit dem Bahnhof Unterpurkersdorf verbinden soll. Die Realisierung ist technisch anspruchsvoll und teuer: Querungen und die Verlegung von Versorgungsleitungen treiben die Gesamtkosten auf geschätzte 10 Millionen Euro – viel Geld in Zeiten knapper öffentlicher Mittel.
Als mögliche Alternative wird eine Pop-up-Radroute diskutiert, bei der eine Fahrspur der B1 in einen Radweg umgewandelt wird. Auf Wiener Gebiet wurde die Verbindung bis zum Josef-Palme-Platz bereits als technisch machbar bewertet.
Naturpark Purkersdorf: Gemeinsame Naherholung
Die letzte Station der Exkursion führte zum Naturpark Purkersdorf, genauer zur Kellerwiese. Der Park ist Teil des Biosphärenparks Wienerwald und ein beliebtes Naherholungsgebiet auch für Wien, zieht er doch jährlich etwa 40.000 Besucherinnen und Besucher an. Finanziert wird er durch eine Grundförderung der Gemeinde, flankiert von umfangreichem Projektmanagement und Fördermitteln. Man legt dort großen Wert auf Umweltbildung und Naturvermittlung
„Der Naturpark ist ein offener, frei zugänglicher Raum für alle – und das soll auch so bleiben“, betonte Geschäftsführerin Gabriele Orosel. Herausforderungen wie Vandalismus begegnet das Team kreativ – etwa mit einer speziell dafür vorgesehenen Graffiti-Wand.
Ein zentrales Zukunftsprojekt ist die Erweiterung des Naturparks. Ziel ist es, den angrenzenden Georgenberg, der im Besitz der Wiener MA 49 ist, aber im Gemeindegebiet Purkersdorf liegt, in das Naturparkgebiet zu integrieren. Geplant sind neue Beschilderungen, ein verbesserter Zugang von der Mooswiesengasse aus sowie langfristig ein Naturlehrpfad.